Mittwoch, 8. März 2017
Freitag, 3. Juni 2016
Gott im Transit
Klackernde Koffer holpern über den Boden. Suchende
Passagiere strömen durch den Frankfurter Flughafen. Während auf den Startbahnen
große Flugzeuge vorbeirollen taucht immer wieder ein Ordensmann in weißem
Gewand im Fokus der Kamera auf. Es sind die ersten Bilder aus Sonja Toepfers
neuem Filmprojekt: „Gott im Transit".
„Was passiert, wenn wir
einen Mönch der das Gespräch sucht, in eine Menschenmenge stellen?" Das
ist die Kernfrage, die diesem ungewöhnlichen und aufregenden Filmprojekt zu
Grunde liegt. Regisseurin Sonja Toepfer bringt spontane Begegnungen und ungezwungene
Gespräche von Reisenden mit Dominikanerfrater Augustinus Hildebrandt auf die
Leinwand.
Anlass des Projekts ist das 800-jährige Bestehen des Dominikanerordens.
Doch es soll, laut der Regisseurin, kein Imagefilm werden, sondern einer, der
sich an der Stärke und Spiritualität der Dominikaner orientiert. Für die
Ordensleute sind Gespräche mit fremden Menschen an der Tagesordnung. Ob in der
Universität, im Gefängnis oder einem Krankenhaus, doch dieses Projekt
unterscheidet sich durch seine Spontanität und die offenen Drehorte deutlich
von dem gewohnten Alltag der Mönche.
Kaffeeshops als Inbegriff der Schnelllebigkeit
Der Film spielt in halböffentlichen Räumen, wie dem Transitbereich des
Frankfurter Flughafens, einem Café und einer Hotellobby. „Viele Menschen müssen
durch diese Räume durch, aber sie halten dort auch kurz inne", erklärt
Regisseurin Sonja Toepfer. Für sie sind Kaffeeshops der Inbegriff der
Schnelllebigkeit. Und genau an diesen Orten versucht die Filmcrew „einen Blick
auf den Menschen zu erhaschen, der das Gelingende im Nichtgelingenden
findet", wie Frater Augustinus es beschreibt. Dazu ist es nötig die
Schnelllebigkeit zu unterbrechen und sich mit den Menschen zu beschäftigen.
„Ich wollte über Themen reden, die die Menschen persönlich betreffen. Kein
Gespräch basierte auf einem vorgegebenen Thema, und immer nur über Kirche und
Gott zu sprechen war mir zu platt", ergänzt der Ordensmann. Doch nicht nur
die Filmcrew freute sich über eine gelungene Begegnung, auch die Chefin eines
Cafés, in dem gedreht wurde, fand es toll, dass Menschen die Möglichkeit hatten
zwanglos zu sprechen.
Lange fließende Kamerafahrten
Der Film ist eine freie Kunstproduktion mit offenem Ausgang. Regisseurin
Sonja Toepfer will keinen sensationsheischenden Film produzieren. Alle
Teilnehmer sollen sich wohlfühlen und die Chance haben, sich frei zu entfalten.
Es gab kein im Drehbuch festgeschriebenes Beuteschema an Personentypen, die im
Film zu sehen sein sollten. „Wir wollten die Leute nicht überfallen", fügt
Frater Augustinus an. Deshalb hat Sonja Toepfer interessierte Menschen
angesprochen und nach einem kurzen Händedruck und dem Austausch von Namen
konnte sich die Begegnung ganz entspannt entfalten. Jeder Gesprächspartner
bringt seine eigene Intention, Interessen und den Mut mit, auf den anderen
zuzugehen. Die natürliche Leichtigkeit der Begegnung und eine auf emotionaler
Ebene authentische Darstellung der Gesprächspartner sind ihr sehr wichtig.
Entscheidend für diese erhoffte Leichtigkeit ist vorallem die Kameraführung.
Dafür hat Sonja Toepfer Kameramann Emmanuel Dinh aus La Réunion mit an Bord
geholt. Er ist spezialisiert auf die Arbeit mit der sogenannten Steadicam im
dokumentarischen Live-Umfeld. Die Steadicam ermöglicht lange fließende
Aufnahmen, um dem Zuschauer einen tieferen Einblick zu ermöglichen, ganz so als
wäre er „unsichtbar“ live dabei.
Das unterbewusste Bild ist unglaublich wichtig
Emmanuel Dinh versucht mit seiner Kameraführung nicht nur nah beim
Geschehen zu sein, sondern erklärt, dass „der Zuschauer auch verstehen muss,
warum man sich Augustinus so nah fühlt." Deshalb, hat er es sich zur
Hauptaufgabe gemacht die Emotionen und Bewegungen der Menschen so perfekt wie
möglich abzubilden, ohne sie zu verzerren. Die Steadicam lässt sich um den
Körper des Kameramanns schnallen und unterstützt schnelle Richtungswechsel ohne
Umbaumaßnahmen. „Es passiert nicht immer etwas, wenn es erwartet wird, aber
wenn etwas passiert, dann sind wir durch die Flexibilität der Kamera live
dabei", ergänzt Kameramann Dinh. Außerdem lassen sich auch Aufnahmen
machen, ohne dass er durch die Linse schaut. „Das verschreckt die Menschen
nicht so", erklärt er.
Regisseurin Sonja Toepfer hat Emmanuel Dinh über das soziale Medium
Facebook kennengelernt. Sie ist begeistert von seinem Blick auf die Menschen,
der ihrem sehr ähnelt. „Jeder Kameraoperator hat ein unterbewusstes
Menschenbild, das er auf seine Filmobjekte überträgt und er sieht die Menschen
genauso wie ich", erklärt sie, „denn die Wirkung des unterbewussten Bildes
ist unglaublich wichtig." Das Bild wird zusätzlich durch die Tonaufnahmen
ergänzt. Für sie war Tonmann Tom Förderer aus Berlin zuständig. Seine Aufgabe
war es die perfekte Mischung zwischen Umgebungsgeräuschen und den Gesprächen
aufzufangen. Auch hier war Spontanität äußerst wichtig, denn „ich konnte nicht
sagen: Das brauche ich nochmal. Ich musste direkt zur Stelle sein",
schildert Tom Förderer. Außerdem behielt er die Umgebung im Auge, damit der
Kameramann volle Bewegungsfreiheit hatte und es nicht zu Zusammenstößen kam.
Eine starke metaphysische Dimension
Die Aufnahmen wirken, als würde der Zuschauer durch den Raum schweben. Wie
Gott, der unbemerkt und ohne Hindernisse durch die Menschen gleitet und sie
betrachtet. Oftmals gab es während der Dreharbeiten Phasen, in denen die
Reisenden an der Kamera vorbeihetzten und sie lange nicht bemerkten. „Die
Perspektive der Bilder ist nicht die von Frater Augustinus, sondern die von
Gott", bestätigt Sonja Toepfer. „Dadurch ergibt sich für den Zuschauer
eine starke metaphysische Dimension." Frater Augustinus ist und bleibt ein
Teil dieser Welt. Für Sonja Toepfer ist es ein sehr persönliches Projekt, da es
auch ihre eigene Suche nach Gott im Transit abbildet. „Wir sind auf der Suche
nach Gott, aber vielleicht sucht Gott auch nach uns", meint sie.
Als Mitglied eines kirchlichen Ordens, der sich der Mobilität verschrieben
hat, passt Dominikaner Augustinus Hildebrandt sehr gut ins Bild. Er sagt
selbst, dass er zu diesem Projekt kam, wie die Jungfrau zum Kinde. Plötzlich
stand Regisseurin Sonja Toepfer vor ihm und sagte: „Den will ich haben."
Anfänglich hat Frater Augustinus gezweifelt, ob er der Richtige für diese
Aufgabe ist. Außerdem konnte es sich der 31-Jährige schwer vorstellen, dass
überhaupt jemand mit ihm sprechen würde, wenn sie mit laufender Kamera
kolonnenartig durch den Flughafen gehen. „Ich, als Reisender, würde bestimmt
wegspringen", ergänzt er scherzhaft.
Manchmal glich das Gespräch fast einer Beichte
Manchmal glich das Gespräch fast einer Beichte
Doch seine Neugier und guter Zuspruch haben ihn schließlich dazu bewegt sich den Gesprächen zu stellen. „Ich sagte mir, ich lass mich darauf ein", erklärt Frater Augustinus. Jetzt ist er froh mitgewirkt zu haben. Immer wieder hat ihn die Freude und Herzlichkeit bewegt, mit der er aufgenommen wurde. Und bei einem Gespräch kam sogar eine „absolute Verbindung" zustande, wie er es beschreibt. „Einmal bin ich nach zwei Sätzen mit meiner Gesprächspartnerin sehr tief in ein Thema abgetaucht. Wir haben uns gegenseitig die Bälle zugespielt. Ich hatte nicht erwartet, dass es so persönlich werden könnte," ergänzt er zufrieden.
Natürlich ist es ein nicht-alltägliches Bild, das verwunderte oder irritierte Blicke auf sich zieht, und manch einer macht verstohlen ein Foto von dem Mönch im Habit. Doch „Frater Augustinus wurde mit viel Respekt behandelt, und vorallem Menschen, die nichts mit Religion zu tun haben, haben sehr positiv auf ihn reagiert", berichtet Sonja Toepfer beeindruckt. „Manchmal glich das Gespräch fasst einer Beichte." Was bei Frater Augustinus als deutlicher Eindruck hängen bleibt, ist die Erkenntnis, dass Menschen in öffentlichen Räumen durchaus bereit sind sehr intim miteinander zu sprechen. „Das Bedürfnis der Menschen zu reden ist wirklich groß", staunt er. Und so bleibt er bestimmt einigen Gesprächspartnern in Erinnerung, wie er in seinem weißen Habit in der Abflughalle steht und wartet, während vor dem Fenster große Flugzeuge vorbeirollen.
Mittlerweile sind fast alle Szenen des etwa 60-minütige Films abgedreht und die Postproduktion hat begonnen. Die Premiere findet am 5. Oktober im Capitol Kino in Mainz statt.
Christian Burger
Informationen zum Filmprojekt:
http://sonjatoepfer.com/filme/gott-im-transit/
Direkter Email-Kontakt zum Team (Augustinus Hildebrandt OP und Sonja Toepfer)
seigegruesst[@]filmundraumkunst.de
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